Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz hat die Diskussion über den Umgang mit der AfD an Fahrt aufgenommen. Der amtierende Bundesjustizminister Volker Wissing hat die Einstufung begrüßt und vor einer Zusammenarbeit gewarnt. „Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist überzeugt, dass es sich bei der AfD um eine gesichert rechtsextremistische Partei handelt“, sagte der parteilose Politiker dem „Tagesspiegel“ (Samstagausgabe). Er habe keinen Zweifel, „dass das Bundesamt seine Einstufung sehr gründlich vorbereitet hat“.
Es sei das gute Recht der AfD, gegen die heutige Einstufung des Verfassungsschutzes juristisch vorzugehen. „Deutschland ist ein Rechtsstaat.“ Am Ende würden unabhängige Gerichte darüber entscheiden, ob die Einstufung des Verfassungsschutzes rechtlich Bestand habe.
Zu einem möglichen Verbotsverfahren gegen AfD äußerte sich Wissing nicht. Er sprach sich jedoch deutlich gegen jede Zusammenarbeit demokratischer Parteien mit der AfD aus. „Für mich persönlich ist klar: Wer einer Normalisierung von rechtsextremistischen Positionen das Wort redet, handelt in höchstem Maße verantwortungslos“, sagte Wissing. Das Grundgesetz kenne keine Staatsbürger erster und zweiter Klasse. „Alle Deutschen sind für das Grundgesetz gleich, egal wo sie, ihre Eltern oder Großeltern geboren wurden. Mit politischen Gruppierungen, die das nicht vorbehaltlos akzeptieren, darf es keine Zusammenarbeit geben.“
Die SPD-Politikerin Reem Alabali-Radovan fordert nach der Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ ein „entschlossenes Handeln“. „Das entscheidende Gutachten liegt endlich vor“, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge sowie für Antirassismus am Freitag der „taz“. Nun müsse die „ernsthafte und gründliche Vorbereitung“ eines Parteiverbotsverfahrens eingeleitet werden.
„Die Beweislage ist mehr als erdrückend“, so Alabali-Radovan. Es gebe „keine Ausreden mehr“, sondern brauche entschlossenes Handeln „mit aller Härte des Rechtsstaats und allen zur Verfügung stehenden Mitteln“, so Alabali-Radovan weiter. „Wir dürfen diese Partei nicht normalisieren, denn sie ist eine Gefahr für unser friedliches Zusammenleben und unsere Demokratie“, sagte Alabali-Radovan.
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings (CDU), nannte die Entscheidung wenig überraschend. „Es war angesichts der anhaltenden Radikalisierung der AfD nicht überraschend, dass der Verfassungsschutz früher oder später zu dieser Einschätzung kommen würde“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Zugleich zeigte er sich zögerlich hinsichtlich eines möglichen Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. „Es gibt keinen Automatismus. Die Entscheidung bleibt politisch – und dabei müssen wir berücksichtigen, dass die AfD sich dann noch stärker als Opfer inszenieren würde und davon profitieren könnte.“
Der Arbeitnehmerflügel der CDU spricht sich hingegen für ein sofortiges Verbotsverfahren gegen die AfD aus. „Der Verfassungsschutz stellt jetzt endlich klar, was längst Gewissheit war: die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei“, sagte der geschäftsführende Bundesvorstand der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) dem „Stern“. Die Partei wolle die Demokratie zerstören und spalte die Gesellschaft.
Die Einschätzung des Verfassungsschutzes liefere jetzt „die notwendige Grundlage“ für ein Verbotsverfahren. „Die CDA Deutschlands spricht sich daher für ein sofortiges Verbotsverfahren der AfD aus.“ Außerdem dürfe es für die Partei keine staatliche Finanzierung mehr geben. „Solange die Rechtsextremen weiter ungehindert ihre Parolen und Lügen über die Sozialen Medien verbreiten und dort sogar durch die Algorithmen massiv verstärkt werden, werden sie immer erfolgreicher.“
Mit besserer Politik allein werde es „extrem schwer“, dagegen zu halten. „Unsere konsensorientierte Demokratie hat diesen Spaltpilzen im Zeitalter von digitaler Desinformation nur wenig entgegenzusetzen“, erklärt der geschäftsführende CDA-Bundesvorstand weiter. Ein Verbot sei daher der richtige Weg. „Das wird ein großer gesellschaftlicher Kraftakt, den wir jetzt wagen sollten, um Schlimmeres zu verhindern.“
Mitglieder im Geschäftsführenden Bundesvorstand der CDA sind etwa deren Vorsitzender Dennis Radtke, die Bundestagsabgeordneten Axel Knoerig und Stefan Nacke. Ehrenvorsitzender des CDA ist NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann.
Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer fordert die neue Bundesregierung dazu auf, ein AfD-Verbotsverfahren in Betracht zu ziehen. „Diese Regierung kann ein Verbotsverfahren beantragen“, sagte Türmer dem „Stern“. „Sobald sich die neue Regierung gebildet hat, muss dieses Thema auf den Kabinettstisch.“
Der Vorsitzende der SPD-Jugend mahnte, den „rechtsextremen Nährboden“ sehr schnell trockenzulegen. „Das Vorgehen muss nun klar sein“, forderte Türmer. „Konservative Kräfte müssen damit stoppen, diese Partei wie jede andere zu behandeln und sie zu legitimieren.“ Die künftige schwarz-rote Regierung müsse Maßnahmen zum Schutze der Demokratie ergreifen, forderte der Jungsozialist, der die AfD als eine „Bedrohung für Staat und Gesellschaft und für alle demokratisch denkenden Menschen“ bezeichnet.
Die SPD-Politikerin Carmen Wegge geht davon aus, dass ein neuer Verbotsantrag gegen die AfD im Bundestag mehr Unterstützer finden würde als bei dem gescheiterten Versuch im Januar. „Wenn man sich die Diskussionen in den letzten Monaten angeschaut hat, dann gab es ja häufig Zweifel darüber, ob denn schon ausreichend gegen die AfD vorliegt, um tatsächlich auch den Beweis ihrer Verfassungsfeindlichkeit führen zu können. Die Hochstufung durch den Verfassungsschutz ist ein Signal, dass zumindest für diese Einschätzung ausreichendes Material vorliegt“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Sie erwarte „definitiv“ mehr Unterstützung.
Wegge, die im Winter zu den Initiatorinnen des fraktionsübergreifenden Gruppenantrags für ein Verbotsverfahren gehörte, sagte, auch die Union bewege sich in der Frage. „CDU und CSU sind klar demokratische Parteien, die auf die Demokratie verpflichtet sind. Ich gehe davon aus, dass sich die Union jetzt mit einem AfD-Verbotsverfahren beschäftigen wird. Ich habe Signale gehört, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzen will.“ Auch von der SPD, deren Spitzenpolitiker den Verbotsantrag im Winter nicht unterstützt hatten, erwartet Wegge Bewegung. „In der SPD gab es noch nie einen Dissens, dass man sich Demokratiefeinden entgegenstellen muss. Nun sagt der Verfassungsschutz, dass die AfD gegen zentrale Elemente der Demokratie verstößt. Wir haben das nun schwarz auf weiß. Ich bin mir sicher, dass die SPD nun geschlossen vorgehen wird“, sagte sie.
Der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh hat seine Fraktion aufgefordert, über die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens zu diskutieren. „Jetzt ist der Zeitpunkt, um das AfD-Verbotsverfahren erneut in den Fraktionen zu thematisieren. Wir müssen beraten, wie wir mit den bisherigen Anträgen zur Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens umgehen“, sagte Lindh der „Welt am Sonntag“. Denkbar seien „Anträge der Koalitionsfraktionen oder Gruppenanträge, denen sich alle Abgeordneten ohne Fraktionsdisziplin anschließen können“. Auch die Bundesregierung und der Bundesrat seien aufgefordert, sich mit dem Thema zu befassen.
„Viele Abgeordneten sagten in der Vergangenheit, dass sie die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch für wesentlich halten, um über ein Verbotsverfahren zu diskutieren“, sagte Lindh weiter. Diese Einstufung liege nun vor. „Wann, wenn nicht jetzt aufgrund der Einstufung, sind wir ohne Aktionismus zu Klärungen aufgefordert? Wenn wir demnächst nicht innerparlamentarisch strukturiert, sorgfältig und ohne Vorwürfe gegenüber Kritikern eines Prüfverfahrens über das Instrument eines Verbotsverfahrens intensiv debattieren, dann brauchen wir gar nicht mehr darüber zu reden, dass wir den entsprechenden Artikel in der Verfassung haben“, sagte Lindh. „Aus meiner persönlichen Sicht haben wir einen Verfassungsauftrag, Wege zum AfD-Verbotsverfahren zu prüfen und ein solches einzuleiten, wenn die Bedingungen vorliegen.“
Der Mitinitiator eines AfD-Verbotsverfahrens, Marco Wanderwitz (CDU), sieht nun bessere Voraussetzungen für ein Verbot der Partei. „Ich denke schon, dass die heutige Hochstufung seitens des Bundesamts für Verfassungsschutz, die ja auf über 1.000 Seiten mit Fakten hinterlegt ist, eine neue Lage geschaffen hat. Und insofern wird auch diese Debatte meiner Einschätzung nach jetzt anders geführt werden als in den letzten Tagen“, sagte Wanderwitz den Sendern RTL und ntv.
Wanderwitz, der aus Gründen der Sicherheit 2025 nicht mehr für ein Bundestagsmandat kandidierte, sieht ein Verbot der Alternative für Deutschland als effektivstes Mittel, um Menschen für Parteien der demokratischen Mitte zu begeistern. Er sei überzeugt davon, dass es faktisch unmöglich ist, die übergroße Zahl der Wähler der AfD, „auch diejenigen unter ihnen, die kein gesichert rechtsextremistisches Weltbild haben, wieder anzusprechen für demokratische Parteien, solange es die AfD gibt“, sagte er. „Und deswegen muss die AfD sozusagen ausgeschaltet werden, wenn wir da Erfolg haben wollen“, so Wanderwitz.
Foto: Logo auf AfD-Parteitag (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
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