Dienstag, April 30, 2024
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Geduld und maßvolles, organisches Wachstum

Matthias Vickermann Geschäftsführer der shoedoc GmbH im Interview

Stellen Sie sich doch bitte kurz unseren Lesern vor!

Matthias Vickermann: Als gelernter Steuerfachangestellter nahm ich das Schicksal meiner Füße (Schuhgröße 50) in die eigenen Hände. Ich absolvierte eine zweite Ausbildung, wurde Maßschuhmacher, machte meinen Meister, übernahm eine alteingesessene Schuhmacherei und renovierte das Unternehmen von Grund auf. 

In Baden-Baden habe ich dann meinen zukünftigen Geschäftspartner Martin Stoya kennengelernt. Gemeinsam gründeten wir 2005 unsere Firma „Vickermann & Stoya“ und halten seither das traditionelle Handwerk aufrecht. Ursprünglich fertigten wir Maßschuhe und reparierten Schuhe unter einem Markendach bis wir 2019 mit der Gründung unseres Reparatur-Service eine klare Linie zogen. Wir digitalisierten die Handwerkskunst mit unserem Online-Schuhreparatur-Service shoedoc und machen sie für jeden Menschen zugänglich. Vickermann & Stoya fertigt Maßschuhe in der Manufaktur. Beide Unternehmungen profitieren voneinander und sind doch klar getrennt. Diese Differenzierung ist uns sehr wichtig, da wir mit beiden Firmen unterschiedliche Ziele verfolgen und unterschiedliche Kunden ansprechen.

Welches waren für Sie die größten Herausforderungen?

Matthias Vickermann: Die größte Herausforderung besteht für mich immer wieder darin, das alte Wissen aus dem Traditionshandwerk zu bewahren, auszubauen und weiterzugeben. Das Kunsthandwerk wird zur Seltenheit. Viel von der ursprünglichen Expertise geht verloren. Ich selbst musste mir alles mühsam zusammensuchen und beibringen. Die Erfahrungen und die über Jahre aufgebaute Kompetenz, lasse ich in unsere Unternehmung „Vickermann & Stoya“ einfließen und vertiefe sie auch weiterhin. Die größte Hürde bei der Gründung unserer Maßschuh-Manufaktur war für mich die deutsche Bürokratie. Ich bin Handwerker. In meiner Werkstatt fühle ich mich am wohlsten. Für die administrative Verwaltung braucht man fachkundige Partner. Allein ist das nicht möglich.

Was hat Sie in Ihrer Jugend am meisten geprägt?

Dass ich ein Faible für Schuhe habe, kommt nicht von ungefähr: Seit meiner Jugend lebe ich auf großem Fuß (Schuhgröße 50). Wie so viele Menschen mit ausgefallenen Fußmaßen fiel es mir früher schwer, passendes Schuhwerk zu finden. Irgendwann reichte es mir und ich wollte mein Schicksal selber in die Hand nehmen. So wurde ich Schuhmacher.

Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag von Matthias Vickermann aus?

Matthias Vickermann: Für mich steht mein Beruf für Berufung. Wirtschaftlicher Erfolg ist für mich mindestens ebenso wichtig wie die Begeisterung für meine Arbeit und die Zufriedenheit meiner Kunden. Zudem ist Nachwuchsförderung ein wichtiges Thema in meinem Arbeitsalltag, denn nur so ist es möglich auf Dauer das Beste aus dem Start-up holen zu können. Und zwar handwerklich, wirtschaftlich und menschlich.

Wie ist die Idee zu shoedoc entstanden? Welche Vision steckt dahinter?

Die Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen ist mit 128 Betrieben zu einem kleinen Industriezweig in Deutschland geschrumpft, der jedoch in regionalen Wirtschaftsräumen nach wie vor äußerst relevant ist. Schuhmacher, die ihr Handwerk beherrschen, sind eine Rarität. Aus der Not haben wir eine Tugend gemacht: Die Idee für shoedoc findet ihren Ursprung im Reparatur-Service unserer Maßschuh-Manufaktur. Immer mehr Kunden wollten auch ihre Serienschuhe reparieren lassen. Die Anfragen stiegen stetig und das Interesse ging über unsere Region hinaus. So gründeten wir 2019 unseren Online-Schuhreparatur-Service shoedoc und gliederten die Reparaturen aus. Wir haben ein Rundum-sorglos-Paket kreiert. Unsere Kund*innen müssen sich um nichts weiter kümmern.

Was ist euer Ziel?

Matthias Vickermann: Mit unserer stark positionierten Marke wollen wir ein Zeichen setzen und deutschlandweit der Anbieter mit der größten Marktdominanz sein. Wir haben ein sehr nachhaltiges Anliegen und bieten unseren Kund*innen auch einen ethischen Mehrwert. 

Mit unserem Online-Schuhreparatur-Service sprechen wir uns ganz klar gegen das Fast-Fashion-Zeitalter aus. Schuhe lange zu tragen ist der nachhaltigste Umgang mit ihnen. Das garantieren wir. Durch unseren digitalisierten Prozess machen wir es Verbraucher*innen ganz einfach, eine nachhaltige Entscheidung zu treffen. Unser Reparatur-Service ist für jeden leicht zugänglich – egal von wo. Easy, per Click.

Wie kommen die Kunden zu euch?

Der Fast-Fashion Zeitgeist verleitet dazu, Schuhe einfach als Wegwerfware zu betrachten. Doch eine abgelaufene Sohle ist noch lange kein Grund, den ganzen Schuh zu ersetzen. Wir sorgen dafür, dass die Reparatur ganz einfach und digital für jeden zugänglich ist. So unterstützen wir Konsumierende dabei, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Denn wir tragen alle Verantwortung: sozial, ökonomisch und ökologisch. Mit shoedoc sprechen wir jeden Menschen an, der mit uns diesen Weg geht und für eine Kreislaufwirtschaft sorgt.

Wie hat sich das Start-up in den letzten Jahren verändert?

Matthias Vickermann: Seit unserer Gründung fertigen wir Maßschuhe und reparieren Schuhe. Als Unternehmen sind wir stark gewachsen. Wir haben mehr Personal und erschließen weitere Märkte. Die Geschäftsidee von shoedoc ist aus dem Wunsch unserer Kund*innen entstanden. Wir bedienten schnell nicht nur unsere Bestandskunden, sondern erweiterten unseren Service auch außerhalb unseres regionalen Ladengeschäfts. 2019 gründeten wir dann ein eigenes Unternehmen für Reparaturen: shoedoc GmbH. Shoedoc und seine Schwestermarke PurseNurse bedienen Reparaturanfragen unterschiedlichster Art – egal, ob es sich um Schuhe oder Taschen handelt. Ganz einfach und digital.

Unsere Konzepte sind immer ganzheitlich. Wir fertigen nicht nur Schuhe und bieten Reparaturen an. Wir machen Leute auch auf die Pflege Ihrer Produkte aufmerksam. Mit unseren Schuhpflege-Seminaren vereinen wir Arbeit mit Vergnügen und bieten den Teilnehmenden ein unvergessliches Erlebnis in den Räumlichkeiten unserer Manufaktur. 

Heutzutage reicht es nicht mehr, Angebote stupide anzubieten. Es geht darum, die Kunden zu begeistern. Und wenn die Kunden zunehmend digital unterwegs sind, dann holen wir sie genau da mit unserem Service ab. 

Wie funktioniert shoedoc? Wo liegen die Vorteile? 

Mit unserem Webshop shoedoc.de ermöglichen wir die Reparatur online. Interessenten wählen ihr Schuhmodell und die entsprechende Reparatur aus. Absatz, Sohle oder Fersenfutter – bei uns ist alles dabei. Zusätzlich bieten wir unsere Shoedoc-Box an, sodass der Kunde nur noch seine Schuhe in die Versandbox legt. Um alles andere kümmern wir uns. 

Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?

Matthias Vickermann: Unsere Kundinnen und Kunden profitieren von unserer Expertise, die wir über die Jahre in unserer Maßschuh-Manufaktur aufgebaut haben. Bei uns bekommen sie vom Stiftabsatz bis zur Komplettreparatur oder Individualisierung alles, was ihr Herz begehrt. Der Wettbewerb bietet Reparaturen für lediglich ein bestimmtes Produkt oder nur dessen Pflege an. Bei uns erhalten Kunden den Full-Service und die crossmediale Kommunikation. Wir pflegen den Kontakt zum Kunden über WhatsApp-Nachrichten, telefonisch oder schriftlich per E-Mail. 

Und wenn’s mal nicht um Schuhe geht, kümmern wir uns mit unserer dazugehörigen Schwestermarke PurseNurse sorgfältig um alle Taschen. Egal, ob aus Leder oder anderen Materialien.

Wie ist das Feedback?

Interessenten nehmen das Angebot dankend an und werden schnell zu Kunden. Wir erhalten viele Anfragen, weil kein Schuhmacher mehr vor Ort existiert. Viele Menschen sind sehr dankbar, dass wir ihnen diesen Service deutschlandweit bieten.

Welchen Tipp haben Sie für junge Gründer?

Matthias Vickermann: Geduld und maßvolles, organisches Wachstum: Um anspruchsvolle Ziele erreichen zu können, sind Investitionen und die richtigen Rahmenbedingungen zweifellos wichtig und sinnvoll. Allzu großer anfänglicher Ehrgeiz birgt jedoch die Gefahr, sich selbst überholen zu wollen und dabei zu hohe Fixkosten zu produzieren. Bei aller Begeisterung ist Geduld gefragt: Manches braucht eben seine Zeit!

Wo sehen Sie sich in den nächsten fünf Jahren?

Shoedoc ist deutschlandweit der Ansprechpartner für den Reparatur-Service. Egal, ob Schuhe, Taschen oder sogar Kleidung. Wir wollen weiterhin expandieren und unsere Serviceleistung erweitern. Außerdem ist uns das Gesamtpaket sehr wichtig. Wir planen Repair-Cafes und wollen Freude und Mehrwert miteinander kombinieren. Wir haben viele Edutainment-Ideen. Außerdem wollen wir unseren Wirkungskreis durch Pop-up Stores in verschiedenen Metropolen erweitern. So sind wir noch präsenter und können eine direkte Beratung vor Ort anbieten. Für unsere Kunden, die wir nicht vor Ort erreichen, bieten wir eine Online-Video-Beratung an. Shoedoc soll weiterhin wachsen.

Wir bedanken uns bei Matthias Vickermann für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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